Basil in Indien 2007/2008

Bachelorarbeit am Indian Institute of Technology (IIT) Madras, Chennai, Tamil Nadu, Indien
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Doch doch
Mir gegenüber wurde die Vermutung geäussert mir würde das indische Essen nicht schmecken, da ich im Vergleich zu Korea viel weniger davon berichte oder Photos zeige. Das mag zum einen daran liegen, dass hier die Vielfalt am tierischen Anteil meines Essens fehlt, also der Raum der Möglichkeiten halbiert wurde. Ich esse vielleicht alle zwei Wochen mal eine geringe Menge Fleisch oder noch seltener Fisch, aber nie eine Sorte, die ich noch nie gegessen hätte. Ausserdem sieht das indische Essen ein wenig gleichförmig aus (Reis + Sossiges + Brotiges + Joghurt), wenn es auch geschmacklich variiert, wenn auch weniger als in Korea, weshalb es schon angenehm ist mal die Mensa zu wechseln für mehr Abwechslung. Hier einige Bilder aus der aktuellen Mensa.

Ananas, Joghurt, dickflüssige Reisbeilage (ein Sambar), suppige Reisbeilage, scharfe grüne Minzsosse für die sehr leckeren gefüllten Brote.

Joghurt, zwei übliche Beilagen, etwas mit Kartoffeln, das man in (in Suppe geweichten) Stückchen der Fladen wickeln kann, Gurken und zwei Brotsorten, zuunterst Chapati, darüber ein Papadam.

Eine der Beilagen enthält Paneer, eine Art schnittfester Frischkäse, sehr lecker zu meinem Lieblingsbrot, dem wohl fettesten indischen Brot, dem Puri, das frisch gebacken aufgeblasen ist wie ein Kissen, scharfe grüne Minzsosse.

Wochenende mit den Gurus
Trotz der Arbeit, also der Vorbereitung der Präsentation am Dienstag, habe ich dennoch dem Campus verlassen, der selbst verlassen wirkt, da das Semester vorbei ist und ein Grossteil der Studenten nach Hause gefahren ist, nur wenige sind noch über zwecks laufender Projekte oder wegen Bewerbungsgesprächen. Meine Lieblingsmensa und drei andere Mensen in der Megamess und das Restaurant, in dem es Fleisch gibt, sind geschlossen. In meinem Flur im Wohnheim wohnt kaum noch jemand, indische Hutaffen besetzen ungehindert das Human Science Department, arrangieren kleine dunkle Türmchen in meinen Flur, zerlegen meine alten Milchkaffeepappbecher und werfen Mülltonnen um, was auch die Rehe gut können. Dieser Affe hier ist raffiniert, er öffnet den Klettverschluss und streckt seine Hand tief in die Tasche.

Des Professors Assistent arbeitet ab und zu ehrenamtlich in einem Ashram unweit des IIT. Anlässlich des Besuchs des Gurus, also des spirituellen Lehrers, fand eine Festwoche statt, unter anderem mit Aufführungen karnatischer Musik, welche ich mir anhören wollte. Zu diesem Anlass waren die Götterstatuen mit Rüstungen aus Gold geschmückt.

Personenkult in einem derartigen Ausmass hatte ich noch nicht erlebt. Der Guru sitzt auf der Bühne in wallendem rosa Gewand und mit weissem langen Bart in einem Sessel, hinter ihm ein Schrein mit seinem Bild. Anhänger drücken die Stirn auf den Boden unter ihm, legen sich flach hin, überreichen ihm riesige Blumenkränze, die kurz umgelegt und dann entfernt werden. Spender werden namentlich zusammen mit gespendeter Summe genannt. Später sitzt er erhaben in einem Sessel über dem Publikum. Am nächsten Tag singen Schulchöre, eine Art Ausscheidung hatte vorher stattgefunden, nach jeden Lied klatscht das Publikum. Dann öffnet sich der Vorhang und gibt freie Sicht auf den Guru, der seitlich an einem Tisch sitzend Milch von einem Gefäss in ein anders umfüllt. Zunächst dachte ich er tränke Kaffee, was aber in dieser Situation unpassend gewesen wäre. Er ist noch länger mit vielerlei Handlungen beschäftligt für die er eine Vielzahl von Gefässen benötigt, die er nach deren Verwendung neben sich stellt, worauf sie von einem aufmerksamen Diener sofort entfernt werden. Das Publikum klatscht nun nicht mehr für die Chöre, sondern verfolgt aufmerksam die Handlungen des Gurus.

Die zwei Inder, in etwa in meinem Alter, neben die mich der Assistent gesetzt hat, kümmern sich um mich und nehmen mich mit zum Mittagessen, das im Ashram ausgegeben wird. Es gibt zum üblichen Essen geröstete sehr salzige Chillischoten. Beissen bei gleichzeitigem Einatmen ist keine gute Idee, die Reihe alter Frauen am Boden grinst mich an, als sie meinen Gesichtsausdruck und meine tränenden Augen sehen. Die beiden Inder sind tief bewegt von der Erscheinung des Gurus, sind beide Studenten und wollen von mir photographiert werden und zwar vor dem Auto, dem einzigen Auto im Tempelhof, möglicherweise dem Fahrzeug des Gurus. Einer ruft seinen Bruder an, der Informatik studiert hat, und gibt mir dann das Handy weiter, damit ich mich mit ihm unterhalten kann.

Die Musik war wirklich gut und interessant, rhythmisch von einer erstaunlichen Komplexität. Leute um mich herum schlugen den Takt mit der Hand mit, wobei manchmal die Handfläche nach oben und ansonsten nach unten zeigte, deuteten zum passenden Zeitpunkt mit dem Finger in die Luft oder wippten mit dem Oberkörper zum Ende einer Sequenz, oder besser beschrieben bei Wikipedia: Die Abfolge eines Talas kann durch Gesten der Hände angezeigt werden: Das erste Matra jedes Vibhags wird durch Klatschen angezeigt, der Khali jedoch durch eine winkende Bewegung mit der Hand, wobei der Handrücken nach unten zeigt..Obgleich ich eine Regelmässigkeit spüren konnte, so konnte ich die Prinzipien nicht erfassen. Die Rhythmen der Mridangam-Spieler - Mridangam ist ein Perkussionsinstrument, auf dem so viele Töne gespielt werden können, dass fähigen Spielern nachgesagt wird, sie sängen durch oder mit diesem Instrument - waren noch komplexer und schneller. Dazu spielte eine Geige; der Anteil an Flageoletttönen war hoch. Dass man so Geige spielen konnte war mir neu. Sänger sangen sich gegenseitig eine Melodie vor, deren Rhythmus sie immer weiter variierten.

Vor diesem Fenster, hinter dem der Guru sass, bildete sich eine Schlange von Menschen, der Assistent schob mich dazu. Man legte ein wenig Geld auf die Fensterbank, grösste den Guru mit gefalteten Händen und leichter Verneigung, wurde gesegnet und bekam ein kleines Tütchen mit rotem und weissem Pulver das irre in der Nase juckt.

Für Sonntag hatte Lukas Karten für ein Konzert in der Stadt, der Vater eines Freundes spielte dort mit, zu dem wir mit zwei Indern aus dessen Department fuhren. Statt einer kleinen Veranstaltung war es eine Art grosser schicker Theatersaal und voller Menschen. Es war zugleich der siebzigste Bühnengeburtstag und der 75. Geburtstag des Gurus, der Hauptperson der Chennai Music Academy. Nach zwei Stunden bewegender Danksagungen und Reden seiner langjährigen Freunde und Mitarbeiter, bei der sie sich ständig gegenseitig Tücher umhängten und sich mit vielerlei Gesten dankten, teilweise sogar seine Füsse berührten, was das höchste Zeichen der Wertschätzung bedeutet, begann die Musik: Indisch & Jazz; - Saxophon, kombiniert mit Tabla und weiteren indischen Instumenten, das ganze improvisiert und mit musikalischen Dialogen, Augenkontakt und Gesten der Spieler untereinander, gibt eine tolle Mischung, später mit "degededegddegdea-drrrdegeda-dregeda!"-Gesang und Soli der einzelnen Instrumente.


Alle Photos des Wochenendes hier.

Markt in Chennai-Mambalam
Photos vom Markt hier.

Report and Presentation
Dieses Wochenende konnten keine grösseren Ausflüge stattfinden, da ich am Freitag einen Projektbericht abzugeben und am Dienstag den aktuellen Stand zu präsentieren hatte. Das liegt nun beides hinter mir. Den Vortrag hielt ich vor drei Mathematikprofessoren. Zwei Dinge sind sicherlich typisch wenn Informatik auf Mathematik trifft oder umgekehrt:

  • Mit unvermeidlich unscharfen Begriffen umzugehen, wie sie im Software Engineering auftreten, wie zum Beispiel der Begriff Bequemlichkeit, in meinem Falle Skalierbarkeit, also nicht messbaren Qualitäten, ist Mathematikern, die mit Systemen präzise definierter Begrifflichkeiten arbeiten, fremd.
  • Wenn die prinzipielle Lösbarkeit eines Problems bewiesen wurde, so ist das Problem, laut gängigem Vorurteil, abgehakt. Sich mit den besonderen Qualitäten der Implementierung (hier wieder Skalierbarkeit als nicht-funktionale Anforderung) zu beschäftigen, ist uninteressant.

Die Präsentation lief gut. Diese beiden eben genannten Punkte musste ich während meines Vortrages verdeutlichen, was wohl nicht der Fall bei einem Vortrag vor Informatikern gewesen wäre.

Kanchipuram
Pro Ticket für den doppelten Stundenlohn eines Kellners, also insgesamt etwa 50 Cent, sind am vorletzten Sonntag Jan, Christopher und ich zwei Stunden mit dem Bus nach Kanchipuram gefahren, der Stadt der tausend Tempel und einer der sieben heilgen Orte des Hinduismus. Ausserdem ist Kanchipuram für die Herstellung von Seidensaris bekannt.

Wir waren spät, die Tempel sollten erst wieder gegen 4 Uhr öffnen, also wollten wir uns eine Seidenweberei ansehen. Der Rikschafahrer brachte uns allerdings nicht zu dem Ort, den wir ihm genannt hatten, sondern zu einem, an dem er sicherlich Provision bekam, einem kleinen Familienbetrieb mit Kindern, die Fäden spannten.

Die Webstühle sind lochkartengesteuert und scheinen nicht einfach zu bedienen zu sein, viele Steuerschnüre sind zwischendurch zu ziehen ohne mir erkenntliche Funktion.



Hundefriedhof. Das mittlere Gemüse, eine Frucht des Meerettichbaumes, heisst Drumstick, lässt sich längs dreiteilen, ist sowohl in seiner Konsistenz als auch im bitteren Geschmack dem Stiel einer Artischocke ähnlich, enthält aber in regelmäßigen Abständen essbares erbsenartiges mit drei Flossen. Die Schale ist von zahlstocherdicken harten Fasern verstärkt, die mir das erste Mal, als ich es in der Mensa gegessen hatte, den Gaumen zerstochen hatten, wusste ich schliesslich noch nicht wie das Gemüse zu essen ist.

Tempelimpressionen. Inmitten des Geländes eines Tempels befindet sich ein grosses Becken, wie ich es auch schon bei anderen Tempeln gesehen habe. Es gibt Fische, Menschen baden ihre Füsse und schöpfen sich eine Hand voll Wasser über den Kopf.



Der Ekambaresvara-Tempel wurde um einen heiligen Mangobaum herum gebaut, unter dem Shiva mit Parvati sich vermählten und angeblich 3500 Jahre alt ist. Im letzten Jahr ist er gestorben, nun gibt es einen neuen Mangobaum. Seitlich des Weges zu diesem Baum sind 1008 Lingas aufgestellt, Symbole für die männliche Schöpferkraft Shivas: Phallussymbole.



Zurück in Chennai waren wir wieder in dem Restaurant, in dem uns am Vortag nach dem Essen die gehackten Betenüsse serviert wurden. Diesmal gab es zusätzlich Betelbissen, in Blätter des Betelpfeffers mit zum Ausgleich süsseren Zutaten gewickelte gehackter Betelnuss. Man schiebt sich das Paket komplett ins die Backe und kaut es gründlich. Berauschend, also im wahren Sinne, war es nicht, aber lecker und es soll gut für den Magen sein nach zuvielem Essen. Es gibt sozusagen Anfängerpakete, möglicherweise war es ein solches.

Auf dem Weg über dem Campus sehe ich zum ersten Mal in Indien einen Skorpion, ein unangenehm grosses Tier, er schien hinten angefahren zu sein, wirkte wie tot, war aber noch beweglich und wie jedes Tier mit Scheren kam er nicht darum herum ein Stöckchen zwicken zu müssen.

Alle Photos des Tages hier.

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Ich freue mich ueber jeden Eintrag im Gaestebuch, da ich dann auch weiss fuer wen ich schreibe! Gruss Basil