Auf dem Gepäckträger meines Fahrrades sitzend bekam er den Campus gezeigt, soweit man ein derart grosses Gelände überhaupt in kurzer Zeit präsentieren kann.
Eine Stadtbesichtigung schloss sich an, so fuhren wir zum Marina Beach
und von dort zum Kapaleeshwarar-Tempel, in dem, wie schon bei meinem letzten Besuch, ein Festival stattfand. Es hatte ein wenig gedauert bis wir einen Inder abschütteln konnten, der sich uns als Führer anbot, nicht unentgeldlich, bis wir uns in die Menge setzen konnten um die Atmosphäre zu geniessen und das Geschehen um uns herum zu beobachten.
Aus der Rikscha heraus hatte ich einen kleinen Laden gesehen in dem Sitars hergestellt werden. Leider fanden wir ihn nicht, nahmen aber viele Eindrücke vom umgebenden Stadtteil mit. Hier eine Chillipulverproduktion und ein komplexes Rangoli.
In einem guten Restaurant ass ich anschliessend das erste Mal Betelnuss, die nach dem Essen serviert wurde. Diese Früchte der Betelpalme enthalten das euphorisierende Alkaloid Arecaidin. Pharmakologische Betrachtung hier. Es gab drei kleine Schälchen mit Fenchelsamen, Zuckerkristallen und den kleingehackten Betelnüssen, die leicht seifig und irgendwann bitter schmecken, weshalb man sie mit den anderen beiden Zutaten kombiniert. Eine Wirkung ist bei einer derart kleinen Menge nicht zu erwarten oder fällt so leicht aus, dass ich die nur leichte Wirkung aufgrund mangelnder Erfahrungen nicht wahrnehme, wenn auch das Photo der Prozession, in der Götterstatuen durch die Stadt getragen und gerollt werden, darauf schliessen lassen könnte.
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Das schmale dünne Stück Stoff, welches, ölgetränkt wie es irgendwann war, seinen Zweck ohnehin nicht mehr erfüllen konnte, wurde einmal sogar noch abgenommen, als man auf dem Bauch lag, um vom Hals jeden Wirbel einzeln massiert zu bekommen. Bisher ist mir nie so deutlich bewusst geworden, bis wo die Wirbelsäule geht, hätte ich nur einen halben Wirbel mehr, er wäre sicherlich von Innen massiert worden.
Nach einer fünfstündigen Zugfahrt, mit, trotz ausgiebigem Waschen, deutlichen Rückständen von Öl in meinen Haaren, erreichen wir Kochi, wo wir mit zwei Rikschas mindestens eine dreiviertel Stunde unterwegs sind, bis unser Fahrer vor einem düsteren Park hält und meinte, wir sollen aussteigen und den Weg durch den Park nehmen, es sei eine Abkürzung. Wir weigern und unnachgiebig um danach festzustellen, dass der Fahrer den Weg nicht kennt und Passanten fragen muss; der Vorschlag der Abkürzung durch den Park demnach ein übler Trick.
(Ein schöner Warnhinweis im Zug, alle schreien, nicht wie die entspannten Menschen, die im Fluzeug bei den Sicherheitshinweisen zu sehen sind.)
Kochi ist u.a. bekannt für die fest installierten Chinesischen Fischernetze, die schon im 13. Jahrhundert eingeführt wurden. Im Wasser treiben Inseln von Schwimmpflanzen mit Schwimmblasen vorbei.
Angesichts der Bebauung mit Villen, der grossen Anzahl von Touristen und den etwas kühleren Temperaturen als in Chennai, wirkt es, als sei man am Mittelmeer. Auf der Suche nach dem Jain-Tempel, in dem um 12 Uhr Mittags Tauben gefüttert werden sollten, bekamen wir von mindestens fünf Indern mindestens fünf verschiedene Richtungen gezeigt, fanden aber nach einigen Wirrungen, die auch nicht uninteressant waren, doch irgendwann unser Ziel. Auf dem Weg gab es wieder Kinder, die photographiert werden wollten.
Abends, als die Sonne gerade unterging, war der Strand voll von Menschen die Flanierten und den Sonnenuntergang und die Netze in Aktion beobachteten, die mit Gegengewicht aus dem Wasser gehebelt wurden. Die Ausbeute schien gering, in den Kisten zum Verkauf aber grössere Fische, die wohl andernorts gefangen wurden.
Wir besuchten am Abend eine Kathakali-Vorstellung, eine Art indisches Tanzdrama. Es war eine Einführung in diese Kunst für Touristen. Die Tänzer schminkten sich gegenseitig aufwendig auf der Bühne bis die Vorstellung begann. Zu Beginn gab es eine halbstündige Erklärung. Es gab zwei Trommler und einen Sänger, der das Geschehen erklärt, sowie drei Charaktere (gespielt von Männern), zwischen denen kein gesprochener, sondern rein körpersprachlicher Dialog stattfindet. Es scheint für viele Begriffe Symbole zu geben, die äusserst komplex getanzt oder durch Handbewegung dargestellt werden, der Begriff Sonne dauerte etwa eine Minute, eine Kathakali-Vorstellung eigentlich etwa sechs Stunden. Mit dem Gesicht wird unentwegt gezuckt, Mundwinkel und sonstige Gesichtsmuskel zucken, weit aufgerissene Augen, die durch vorher halbstündiges Einlegens eines Samenkorns rot gefärbt sind, rollen. Nach den ersten zwei Minuten dachte ich mir würde schlecht, müsste ich das anderthalb Stunden ertragen, wenn ich mit überlege wie anstrengend und unangenehm mir das Zucken und -augenrollen wäre. Die Geschichte stammte aus der Mahabagavatham, der Göttergeschichte.
Die erste Szene, etwa 10 Minuten, war ein reines Geschrei, der schwarze Charakter, der Dämon, schminkte sich unter schrillen hässlichen Schreien und molk sich die eigene Brust.
Die Handlung knapp zusammengefasst: Ein grausames Mädchen fährt zum Himmel um göttliche Schönheiten zu fangen, verliebt sich auf dem Rückweg Jayanthan, verwandelt sich in ein hübsches Mädchen um seine Liebe zu gewinnen die dieser nicht erwidert, verwandelt sich zurück und greift an. Er scheidet ihr Ohren, Nase und Brüste ab, das Geschrei kann man sich kaum vorstellen. Dazwischen singt der Sänger, der fast in Trance mit geschlossenen Augen die Schellen schlägt, mit einer Inbrunst, dass sich einem die Nackenhaare sträuben.
Wenige Symbole konnte ich verstehen, sehr komplex ist die Formensprache aber fesselnd im Ausdruck. Mehr Photos der Aufführung hier, alle Photos des Tages hier.
In Varkala wohnen wir in drei Bambushütten zwischen Palmen in Strandnähe in angenem ruhiger Umgebung, sehr erholsam nach dem unglaublichen Verkehrschaos und dem Gestank auf Chennais Strassen. Hier entspanne ich mich in einer Hängematte (man sieht meinen Fuss), was beim Anblick der auf den Kokosnüssen hoch über mir wippenden Krähe nicht ganz leicht fällt. Hoch am Himmel kreisen wieder die riesigen braunen Adler mit den hellen Köpfen.
Das erste Mal habe ich im Arabischen Meer gebadet, sehr warm und schöne Wellen. Entlang der Klippen gibt es viele Läden mit Schmuck und bunter Kleidung für die Touristen, von denen es zwar genug gibt, jedoch nicht so viele, dass sie einem auf dem Handtuch liegen würden. Schwimmende Inder sieht man eher selten, wie an bisher jedem Strand. In einem Cafe wurde eine CD der Reihe Buddha Bar gespielt, ethnisch, z.B, türkisch, angereichertes elektronisches easy listening Geplänkel, im Prinzip nicht schlecht, nur leider nicht indisch, schon zu bekannt und zu oft und an zu vielen Orten gespielt.
Gegen Abend, es ist etwas kühler geworden, das Licht ist sanfter, mutet der kleine Ort fast griechisch an mit seinen Fischern am Strand, nur die Palmen und die wenigen Einheimischen unter den Touristen weichen davon ab. In den Restaurants wird uns beim Flanieren die zu erwartenden Fische angekündigt, grosse Tiesche werden gezeigt, es solle ein Fisch kommen der sei grösser als der Tisch, bekommen wir zu hören. Ungläubig betrachte ich die winzigen Boote unweit der Küste.
Tatsächlich liegen später auf den Tischen von den Restaurants ganze frische Schwertfische und Barrakudas. Ich bestelle Barrakuda mit Zitrone und Knoblauch gebraten, dazu Salat und Fritten, zahle dafür etwa drei Euro. Kerala ist nicht zu Unrecht bekannt für seine hervorragende Fischküche.
In der Nacht hörte man im Bett liegend die Wellen an den Strand schlagen und irgendwelche Nagetiere durch das palmengedeckte Dach der Hütte jagen und kauen. Für den Morgen hatten Andrea und ich uns zu einer ayurvedischen Entspannungsmassage angemeldet, die in einer anderen Bambushütte stattfand. Völlig nackt wurde einem eine Schnur um die Taille gebunden, vorne einen Streifen fast transparenten Stoffes eingehängt der hinten wieder um die Schnur gelegt wurde, ein Traum aus Tüll sozusagen. Massiert werden konnte man als Mann nur von einem Mann, aussuchen konnte man sich das nicht. Die Ganzkörpermassage dauerte eine dreiviertel Stunde, war sehr ölig, ich glitschte fast vom Tisch, aber auch wirklich angenehm, bis auf das ruckartige Zehen- und Fingerziehen und das Kinnmassieren, ich hätte mich vorher rasieren sollen. Am Ende, nach einer Kopfmassage, wurde mir noch der Rücken eingeseift. Völlig enstpannt und nach dem Bezahlen der zehn Euro und mit einem gelben Streifen heilender Paste auf der Stirn verliess ich das Behandlungszimmer und stiess mit der Stirn an den tiefen Türbalken, die Entspannung blieb grösstenteils.
Alle Photos der Zeit in Varkala gibt es hier.
Abends fuhr unser Zug nach Kollam im Nachbarbundesstaat Kerala, für mich das erste Mal im indischen Zug, nicht für die fünf anderen. Während der Fahrt kann man sich aus offenen Türen hängen oder durch ewiges mantraartiges Coffee-offee-offee..., Tee-Tee-Tee..., Palipalam... angekündigte Getränke oder Kringel mit heller Nusssosse die Zeit vertreiben. Wir fuhren über Nacht, pro Abteil zwei mal drei Liegen übereinander und zwei übereinander im Gang. Decken oder Kissen gab es in dieser Klasse nicht.
Ich lernte einen Inder kennen, er hatte in Jordanien viele Jahre als Journalist gearbeitet, kannte einige deutsche Politiker und Sportler, war sehr nett und gesprächig, legte auch seine Hand auf mein Knie oder meine Hand in seine, wie das hier üblich ist und nicht wie bei uns gedeutet werden kann. Nach mindestens zehn Minuten fragte er mich, ob ich wisse wer der Premierminister von Israel, danach, ob ich Jude sei. Es führte wie immer zum gleichen Thema, Hitler is our friend, bei dem Thema blieb es lange, zwei andere Inder versuchten mich in meiner Argumentation zu unterstützen, brachten Bismarck ins Spiel, indische mythologische Figuren, die aber zum Vergleich von ihm nicht akzeptiert und abgewiesen wurden, da der Bart ein ganz anderer sei, weiter zu diskutieren hatte also keinen Sinn.
Am nächsten Morgen draussen palmendominierte Vegetation, Hütten unter Palmen im scheinbaren Nirgendwo, kleine Bananenplantagen und Kautschukwäldchen.
Unser Hotel lag etwas ausserhalb der Stadt, schön gelegen mit Blick aufs Wasser. Schwimmpflanzen treiben und Hausboote ziehen vorbei, riesige braune Adler mit weissem Kopf sitzen in Palmen oder kreisen in der sauberen Luft. Wir überqueren das Wasser mit einem kleinen Boot, besteigen einen kleinen Bus und fahren eine dreiviertel Stunde tief in den Urwald hinein zu unserer Backwaterstour.
In einem kleinen Boot werden wir mit anderen Touristen durch Kanäle manövriert, der Bootsführer stösst das Boot von Ufer oder Grund mit einem langem Bambusstock ab. Wir ducken uns unter Brücken oder hängenden Pflanzen durch, sehen vereinzelt Kühe weiden, kleine Hütten mit fröhlich winkenden Menschen mitten im Wald, Kokospalmen, Eisvögel, unbekannte Wasservögel, Garnelenzuchtbecken, einen Mann nach Muscheln tauchen, Männer beladen im Wasser stehend ein Boot mit Sand vom Grund.
Die Kanäle sind eng, ständig streifen und Pflanzen. Auf diese Weise kam eine Gottesanbeterin auf unser Boot, angriffslustig umrundet sie es, bewegungstarnend schaukelnd, begibt sich zum Bug und ist irgendwann verschwunden.
Wir schneiden einen See, baden Füsse, Krokodile sind nicht in Sicht, legen an einer Hütte an, der Bootsführer klettert für uns auf eine Kokospalme. Später an Land zeigt er uns Gewürze: eine Rispe mit schwarzem Pfeffer und eine frische Form der Nelken, die manche Reisgerichte weihnachtlich aromatisieren.
Alle Photos dieses Tages in Kollam gibt es hier.