Basil in Indien 2007/2008

Bachelorarbeit am Indian Institute of Technology (IIT) Madras, Chennai, Tamil Nadu, Indien
Startseite | Inhalt | Photos | Kontakt | Gästebuch | Impressum | Links
Gespräche beim Essen
Der Reiseführer hatte es erwähnt, nun geschah es tatsächlich. Ich wurde unvermittelt auf Hitler angesprochen. Worauf mein Gesprächspartner hinauswollte war ihm vielleicht auch nicht klar, oder ich habe seine Logik, also den Bezug der einzelnen Fragen zueinander, einfach nicht verstanden. Laut Reiseführer gilt Hitler hier vielen als grosser Held, hat sich doch das kleine Land mit dem Rest der Welt angelegt und stammen doch die Inder irgendwie von den Ariern ab. Immerhin schien er zu wissen was in jener Zeit sonst noch vorgefallen war. Ausserdem fragte er mich zu meiner Einstellung hinsichtlich den USA und ob ich Jude sein. Merkwürdige Abfolge.

Gespräche, sofern man sie so bezeichnen kann, mit dem Mensapersonal, das kaum Englisch spricht, sind da schon lustiger. Die Wasserkanne wurde aufgefällt und dabei wurde ich gefagt, wie viele Häuser ich in Deutschland hätte. Ich sagte, ich besässe keines. Er schien es erst kaum glauben zu können und fragte nochmals, schien danach irgendwie enttäuscht zu sein und ging betrübt zurück an seine Arbeit

Eine andere interessante Frage war, wir wühlten gerade beide mit unseren Fingern im Reis um das Sambal, also die Sosse, unterzurühren, wie denn der Reis in Deutschland sei. Dass wir dort kaum Reis essen verwunderte ihn. Ich erklärte ihm auch, dass es in Deutschland sehr viele Brotsorten gäbe. So wie Frankreich bekannt für seine vielen Käsesorten ist, so könnte man sagen, dass Deutschland für seine vielen Brotsorten bekannt ist. Das mit dem Käse war ihm neu. Gut, komisch für uns das nicht zu wissen, aber für welche Nahrungsmittel ist denn Pakistan bekannt? Oder Myanmar?

Nicht alle Gespräche sind so, oft unterhält man sich sehr gut beim Essen. Mit Indern fällt es mir viel leichter ins Gespräch zu kommen als mit Koreanern.


Wäscherei
Montag. Der Regen hat zeitweise aufgehört, die Wäscherei konnte meine Wäsche trocknen, sie wird im Freien auf die Leine gehängt, weshalb sich über Wochenende Verzögerungen ergeben hatten. Die gebügelte Wäsche wird ordentlich in Zeitungspapier gewickelt und mit einem Faden zusammengebunden. Was mich dabei sehr beeindruckt hat, war, dass die Frau den Faden einfach durchgebissen hat, schliesslich kann ich kaum sauber ein Brötchen abbeissen. Im Wald vor der Wäscherei hat sich Wasser gesammelt, überall bilden sich Lebensräume für Frösche, deren Population sich schlagartig an die Menge der Wasserflächen angepasst zu haben scheint: jede grössere Pfütze ist unüberhörbar.

Mein Arbeitsraum
Seit Montag habe ich einen eigenen Raum, einen Raum zum Arbeiten, im Department of Mathematics in dem Flur, in dem auch die Professoren ihre Räume haben. Der Raum ist hell beleuchtet, angenehm kühl, obwohl es keine Klimaanlage, dafür aber einen Deckenventilator gibt. Es gibt ein Fenster zum Flur, keines nach draussen, sodass ich auf diese Weise keine Veränderung der Tageszeit wahrnehmen kann. Abschliessen kann ich im Raum alles, also Tisch und Schrank, und den Raum selbst natürlich auch. Ein idealer Arbeitsraum. Morgends, sofern ich nicht gerade eine Vorlesung besuche, bekomme ich vom Assistenten - also nicht von meinem, ich habe keinen, sondern den meines Supervisors - Tee gebracht, er bekommt Schokolade. Internet habe ich dort leider noch nicht, Montag wird eine Leitung gelegt, drahtloses Netz gibt es in meiner Umgebung leider nicht.

Party
Samstag. Es regnet ununterbrochen und nicht mehr nur überrachend und kurzzeitig. Es ist schon um 1400 Uhr so dunkel wie sonst um 1700 Uhr, also kurz bevor es gegen 1800 Uhr dunkel wird, hier am östlichsten Rand der ungewöhnlich breiten Zeitzone. Die Inder spielen jetzt Cricket im Wohnheim, zumindest den Abschlag, man hört den Abschlag, den Ball Türen oder Mülleimer treffen und die Rufe der Spieler. Es ist Wochenende, wir, ein paar Europäer und ein Inder, nehmen, inklusive des Fahrers zu sechst, eine Motorradrikscha in die Stadt zu einem Cafe, um weitere Leute zu treffen, später in einen kleinen Club, den man als Mann nur in Begleitung eine Frau betreten darf, und zusammen 500 Rupien zahlt, also etwa 9 Euro. Enorm, wenn man bedenkt, dass auf dem Campus ein Arbeiter einen Stundenlohn von 15 Rupien bekommen. Zwei Getränke sind im Preis enthalten, üblicherweise scheint hier Cola mit Rum getrunken zu werden. Der Laden ist klimatisiert, stellenweise sogar viel zu kalt. Die Musik war überrachend gut. Also nicht, dass ich schlechte Musik erwartet hatte, sondern ich hatte nicht erwartet, dass sie mir gefällt. Sie wurde als Trance bezeichnet, war aber eher eine Art Psytekk - Goa ist nicht weit, nicht nur geographisch. Die Inderinnen waren nicht so traditionell gekleidet wie hier sonst, im eher traditionellen Südindien, fast ausschliesslich. Die zwei Inder, mit denen wir neulich ausserhalb Kaffee trinken waren, hätten sich sicher gefreut, waren sie doch so aufgeregt, als sie einen für deutsche Vehältnisse unscheinbaren, hier wohl sehr gewagten Ausschitt entdeckt hatten. Um ein Uhr geht das Licht an, die Party ist vorbei, völlig normal. In der relativ kurzen Zeit lernt man schnell eine Menge Inder kennen, sie sind sehr offen, interessiert und kommunikativ. Auf dem Rückweg, wir hatten unsere Fahrräder am Haupteingang des Campus, mehrere Kilometer von unserem Hostel entfernt, abgestellt, regnete es weiter in Strömen. Einhändig lenkend und einhändig den Regenschirm haltend, Pfützen ungewisser Tiefe ausweichend, fuhren wir durch den schwach gelblich beleuchteten Regenwald. Wild oder Affen waren nicht zu sehen, nur fremde Nachtvögel zu hören.

Technology Park
Freitag. Christopher, zwei Inder und ich verliessen den Campus durch ein kleines Seitentor, das zu Fuss von unserem Hostel aus schnell zu erreichen ist. Wir wollten in einem nahegelegenen Technology Park in Tharamani einen Kaffee trinken.

Der Monsun hat erst vor wenigen Tagen begonnen, die Strasse zum IIT ist schon sehr aufgeweicht und schlammig, man weicht den Fahrzeugen und besonders dem Spritzwasser aus stinkenden Pfützen aus. Streunende Hunde, Ziegen wühlen am Strassenrand im Müll, Frösche quarken dreisilbig wie Ziegen, eine mit Mangoblättern dekorierte Tempelanlage liegt im Finsteren, zwischen eher normalen Häusern Hütten, die aus Schilf geflochten zu sein scheinen, Menschen schlafen am Boden einer Bushaltestelle, ein Rind hat sich am Strassenrand niedergelassen und dann ...

... aus dem Schlamm hebt sich sauber abgegrenzt ein Grundstück ab, sorgfältig bepflanzt, grüne Wiesenstücke, gesetzte Palmen, gepflasterte Wege: der Technology Park, ein modernes Gebäude, Sitz mehrer Softwarefirmen, daneben eine grosse Baustelle, ein ähnliches Gebäude wird gebaut. Vom Inneren konnten wir nicht viel sehen, nur ein Teil des Erdgeschosses ist öffentlich zugänglich. Der Anteil der dort arbeitenden Frauen scheint hoch zu sein, nicht alle sind traditionell gekleidet. Es gibt mehrere amerikanische Läden wie zum Beispiel KFC. Dass man sich in Indien befindet ist nur an den Leuten zu erahnen. Ausser uns beiden waren, soweit ich mich erinnere, keine weiteren eindeutig als Ausländer Identifizierbare zu sehen. Ich tank einen Tee, das sollte mein Verhängnis sein, zumindest für die Hälfte des Folgetages. Angeblich, so erfuhr ich am nächsten Tag, sollte Kaffee sicherer sein als Tee, was jedenfalls für ausserhalb des Campus gilt, innerhalb gibt es Kontrollen.




Startseite | Inhalt | Photos | Kontakt | Gästebuch | Impressum | Links
Ich freue mich ueber jeden Eintrag im Gaestebuch, da ich dann auch weiss fuer wen ich schreibe! Gruss Basil